Vierzehnte Etappe: Back on Track
- Tag 79-85
- Etappe: 49km (+ 26km Sidetrips), trotzdem eine traurige Bilanz…
- Total: 2245km
Nach sechs Tagen im Busch sehnten wir uns nach nichts mehr als in Christchurch endlich wieder Mensch zu werden: Ihr glaubt gar nicht, wie glücklich Wäsche waschen und heiß duschen machen können.
Christchurch selbst stellte sich leider als nicht sonderlich besichtigenswert heraus: Die Stadt ist noch immer von dem großen Erdbeben 2011 gebrandmarkt, das weite Teile des Stadtzentrums zerstörte und 185 Tote forderte. Wie uns unsere AirBnB-Gastgeber erzählten, wurde erst im November 2016 maßgeblich mit dem Wiederaufbau begonnen. Zuvor mussten 12.000 Gebäude abgerissen werden. Entsprechend ist das Erscheinungsbild der Stadt eine einzige große Baustelle.
Andererseits ist es interessant zu sehen, wie lange die Stadt mit den Auswirkungen des Bebens zu kämpfen hat. Gerne würde ich die Stadt in zehn Jahren nochmal besichtigen, wenn alles abgeschlossen ist. Schon jetzt sieht man an vielen Stellen, dass dies auch als Chance genutzt wurde: Street Art, Container Malls, Urban Gardening Anlagen, unzählige, wirklich unzählige süße Cafés…
Um nicht völlig einzurosten unternahmen wir eine Wanderung an der Küste, vorbei an der kleinen Hafenstadt Lyttelton (wo übrigens das Epizentrum des Bebens von 2011 lag) über die Halbinsel Godley Heads. Wenn man Glück hat, kann man von hier aus Delfine und sogar Wale beobachten! Wir hatten keines.
Nach ganzen vier Ruhetagen fiel uns langsam aber sicher die Decke auf den Kopf. Wir wollten wieder auf den Trail. Zum Trailstartpunkt nach Arthur’s Pass fuhren wir mit der TranzAlpine-Bahn, die eine der malerischsten Routen der Welt durchquert: spektakuläre Berge, Täler, Flüsse und Seen der südlichen Alpen. Ich kam mir leicht amateurhaft vor, wie ich zwischen zig Spiegelreflexkameras versuchte mit meinem Smartphone die Szenerie einzufangen.
Je näher wir Arthur’s Pass kamen, desto mehr zog sich die Wolkendecke zu und als wir aus dem Zug ausstiegen: Regen. Unser Abstecher beim Visitor Center hob unsere Stimmung nicht: Regen war auch für die nächsten Tage gemeldet, und die zu überquerenden Flüsse seien daher vermutlich nicht passierbar. In Arthur’s Pass sei trotz Hochsaison zur Zeit unüblich wenig los – nur die sturen Te Araroa Hiker versuchen dennoch ihr Glück.
Weiter ging es zur Jugendherberge, wo uns ein ebenfalls sehr pessimistischer Rezeptionist empfing. Seine Prognose: Das Wetter wird den gesamten Sommer durch so schlecht bleiben. Wir sollten uns einfach damit abfinden, dass das kein Jahr ist, um den Te Araroa zu laufen. So schlimm war es doch bisher auch wieder nicht!?!
Wir weigern uns einfach das zu glauben. Trotzdem, da ist nichts zu machen: Noch ein Tag Pause!
Es ist ziemlich zermürbend, wie wetterabhängig wir hier sind. Auf der Nordinsel sind wir einfach drauflos gewandert. Wir haben uns dort nicht ein einziges Mal den Wetterbericht angeschaut. Hier auf der Südinsel checken wir das Wetter zweimal täglich!
Das Problem ist nicht nur, dass der Regen hier viel ungemütlicher und kälter ist als auf der Nordinsel, sondern dass zusätzlich die Flüsse so sehr anschwellen können, dass sie nicht passierbar sind. Wir müssen wohl akzeptieren, dass das einfach zu einem Long-Distance-Trail dazugehört, dass man diesen nicht einfach ablaufen kann, sondern flexibel mit Weg und Wetter umgehen muss.
Glücklicherweise legte sich der Regen gegen Mittag, so dass ich als kleinen Tagesausflug den Avalanche Peak auf 1833m heraufsteigen konnte. Jan hatte nicht genügend Wander-Sehnsucht, um mitzukommen.
Und einen Tag später: Fabelhaftestes neuseeländisches Sommerwetter! Kann das so bitte für die nächsten zwei Monate bleiben?
Schade nur, dass wir diesen perfekten Tag nicht von der ersten Minute an in den Bergen verbringen konnten – denn vorher hieß es 12 Kilometer Straße laufen, da kein Auto auf der sich windenden Bergstraße für uns anhalten wollte…
Nach Überquerung des Lagoon Saddles hieß es den Harper River mehrmals zu überqueren. Aufgrund der pessimistischen Einschätzung des Visitor Centers waren wir zunächst leicht beunruhigt, wie viel Wasser der Fluss führen würde. Aber wir konnten aufatmen: Die Flusshöhe war auf normalem Niveau, das Wasser gerade mal knöcheltief. Easy!
Es stellte sich heraus, dass das Tal jenseits des Lagoon Saddles viel trockener ist und längst nicht so viel Regen abbekommt wie Arthur’s Pass. Wir fragen uns nur, wieso man das nicht im Visitor Center weiß?
Am Abend in der Hamilton Hut trafen wir auf ein deutsches Trio, das vor zwei Tagen den Trail gestartet hat. Wir dachten, es wäre ein Scherz, als sie uns erzählten, dass ihre Rucksäcke so schwer seien, da sie eine Axt, eine Steinschleuder, einen Würfelbecher und je fünf Unterhosen dabeihätten. Bilder sagen mehr als tausend Worte… Sie waren doch recht neidisch auf unsere 7kg Leichtgewichte…
Für den nächsten Tag hatten wir uns 47km vor 17 Uhr auf die Fahne geschrieben. Daher begann unser Tag trotz unsagbar wenig Schlaf, da eine Gruppe in der Hütte meinte bis nach Mitternacht quatschen zu müssen, bereits um kurz vor 6…
Der klassische Wandertag geht von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang. Um 21 Uhr ist eigentlich immer Ruhe in der Bude – auch weil wir einfach mega kaputt sind. Wobei zumindest Jan und ich normalerweise nicht mit der Sonne aufstehen. Aber auf der Südinsel werden die Tage schon kürzer – vielleicht kommen wir so doch noch in den Genuss einiger Sonnenaufgänge…
Wieder hieß es Zittern und Bangen, dass die beiden Flüsse Harper und Avoca durchquerbar seien. Zwar waren sie teilweise gut oberschenkeltief, gletscherwasserkalt und wir mussten einige Male nach einer Stelle mit weniger starker Strömung suchen – aber alles machbar! Wir versöhnen uns langsam wieder mit den Flüssen.
47km vor 17 Uhr übrigens aus dem Grund, da in 47km der unpassierbare Rakaia River eine natürliche Unterbrechung des Te Araroa darstellt (naja, vielleicht nach drei Wochen Trockenzeit und für Adrenalinjunkies doch passierbar) und man nicht zu spät an der Flussgrenze ankommen sollte, um eine Mitnahmemöglichkeit in den nächsten Ort zu finden. Campen ist dort aufgrund der malerischen Lage am Lake Coleridge verboten. Für dieses Vergehen durften Wanderer schon eine Nacht bei der Polizei verbringen…
Unsere Mitnahmemöglichkeit fanden wir jedoch schon deutlich früher, so dass es ein entspannter 20-Kilometer-Tag statt eines Füße-wundgelaufenen-47-Kilometer-Tages wurde.
Clive und seine Frau fuhren uns sogar zu zwei Aussichtspunkten für einen besonders guten Blick auf den Lake Coleridge. Kiwis eben.